Elternmeinungen

Matsch und Dreck geht immer weg

Von einem Waldkindergarten-Papa mit einer Waldkindergarten-Tochter

Unsere erste Begegnung mit dem Waldkindergarten

Wir waren gerade erst nach Sehnde gezogen. Unsere Tochter war damals erst ein dreiviertel Jahr. Wir machten vormittags einen Spaziergang mit Kinderwagen durch das Ladeholz, als uns eine Gruppe Kinder entgegenkam. Alle trugen Warnwesten und liefen Hand in Hand in Zweierreihen den Weg entlang, flankiert von drei Erwchsenen. Offensichtlich eine Kindergartengruppe bei einem Besuch im Wald.

Nur einen Moment später hörten wir etwas im Unterholz knacksen. Ein Junge, im gleichen Alter wie die Kindergartenkinder, schälte sich langsam aus dem Gebüsch. Wanderschuhe an, Matschhose, die Jacke um den Bauch gebunden, Rucksack auf dem Rücken. Er blieb kurz stehen, sah sich um, ging ein paar Meter vor und hielt an einer Weggabelung. Dann kam eine zweites Kind hinter ihm her, ein drittes und immer mehr. Alle warteten an der Gabelung. Wir begriffen, dass es sich auch um eine Kindergartengruppe handelte, aber irgendwie war sie anders …

Uns gefiel sofort die Selbständigkeit der Kinder, aber auch wie abenteuerlustig sie durch das Unterholz brachen. Uns war klar, welchen Kindergarten wir uns für unsere Tochter wünschen. Wir meldeten Sie also im Waldkindergarten an.

Ein nasser Schnuppertag

Spaß In der Pfütze

Unsere zweite Begegnung fand zwei Jahre später statt. Es war der Schnuppertag, den ich mit meiner Tochter erleben durfte, ein paar Wochen, bevor ihr Kindergartenleben beginnen sollte.

Wir haben uns vermutlich den nassesten Vormittag des ganzen Jahres ausgesucht. Es regnete in Strömen. Aber – ich hörte nicht ein Kind, das sich beschwerte. Die Kinder liefen fröhlich durch den Wald, spielten fangen als ob der Regen gar nicht da war. Ich merkte selbst, wie ich das schlechte Wetter immer mehr und mehr vergaß. Wir waren halt nass, selbst die beste Regenkleidung konnte es an diesem Tag nicht verhindern, aber es war egal.

Gegen Ende durften die Kinder dann sogar in den Pfützen planschen – oder sollte ich besser sagen baden. Einige der Kinder legten sich nämlich in eine besonders große Pfütze hinein, es war ein wahrer Spaß, dass mit anzusehen.

Eine Entscheidung, die wir nie bereut haben

Und heute gehört unsere Tochter zu den kleinen Matschmonstern dazu. Wir wundern uns immer, dass es im Ladeholz noch Erdboden gibt. Denn so viel Matsch, wie allein an den Waldsachen unserer Tochter schon klebte, kann es gar nicht geben. Aber wie geht der Lieblingsspruch der Schneckengruppe so schön: Matsch und Dreck geht immer weg. Und so ist es. Matsch trocknen lassen, Klamotten einmal Abbürsten und am nächsten Tag geht es weiter. Waschen lohnt eh nicht und würde nur die Imprägnierung kaputt machen.

Wir sehen mit welcher Lebendigkeit und Selbstständigkeit unsere Tochter den Tag im Wald erlebt. Das ist es, weshalb wir die Entscheidung sie in den Waldkindergarten zu geben, nie bereut haben. Auch wenn wir zwischendurch daran ein paar Zweifel hegten …

Startschwierigkeiten

Nach der Eingewöhnung lief zuerst alles gut. Wir brachten unsere Tochter morgens zum Spielplatz und holten sie mittags wieder ab, alles ohne Probleme.  Eines Tages wollte sie aber plötzlich nicht mehr da bleiben, sondern mit ihrem wenige Monate alten Bruder wieder nach Hause. Wir vermuten heute, dass es einfach Eifersucht war.

Von meinen Arbeitskollegen hörte ich, dass sei normal. Einfach weggehen, das weinen sei schnell vorbei. Das mag ja in einem normalen Kindergarten funktionieren, aber wo keine Tür ist, kann man auch niemanden einsperren. Außerdem gefiel uns der Gedanke an diese etwas radikale Methode gar nicht.

Tolle Unterstützung

Wir haben also erst einmal Urlaub und dann eine zweite Eingewöhnung gemacht. Regina und Anastasia haben uns dabei mit ganz viel Einfühlungsvermögen für unsere Tochter ungeheuer geholfen. Wofür wir ihnen sehr, sehr dankbar sind. Und die kleine Gruppe ist in einer solchen Situation natürlich auch ein echter Vorteil. Für jedes Kind ist genug Zeit.

Nach ein paar Wochen ging dann alles wieder seinen gewohnten Gang. Und da auch in dieser Zeit unsere Tochter mittags am liebsten gar nicht wieder nach Hause wollte, sind wir uns auch sehr sicher, dass ihr der Waldkindergarten eine Menge Spaß bereitet.


Äste, die in alle Richtungen wachsen und Wurzeln, die einen festen Halt geben

Von einer Waldkindergarten-Mama mit zwei Waldkindergarten-Söhnen

Schlaflose Nächte

Mehr als ein Jahr ist es jetzt schon her, dass unsere Kinder ihren ersten Waldtag hatten. Im Vorfeld hatte ich so einige schlaflose Nächte. Ich war aufgeregt und obwohl ich schon einige Jahre vom Waldkindergarten begeistert war, kamen mir nun Zweifel: Was, wenn unsere Söhne ständig durchnässt vom Regen sind? Wenn sie frieren? Fünf Stunden draußen? Sie sind noch so klein. Werden schnell krank. Was, wenn einer der beiden wegläuft? Der Wald hat keine Zäune und Grenzen.

Freude am Wald

Inzwischen ist das alles Geschichte. Die beiden stehen jeden Tag voller Freude auf. Sie freuen sich auf ihre Freunde und die Erzieherinnen und gehen mit leuchtenden Augen in den Wald. Wirklich: bei Wind und Wetter. Sie freuen sich über Schnee und Kälte, denn schon bei den ersten Schneeflocken rutschen die Kinder unter Freudenjauchzen den Schneckenberg hinab. Matsch und Regen machen zwar dreckig, aber genauso glücklich und Sonnenstrahlen genießen sie auf der Wiese. Sie sind gerne Waldkinder, haben keinerlei Berührungsängste mit der Natur, mit Tieren und Pflanzen. Sie sind vom Wald fasziniert. Jeden Tag können sie neue Abenteuer erleben und dabei ihren Bewegungs- und Entdeckerdrang ausleben. Sie spüren den weichen Waldboden unter ihren Füßen und bauen Tipis. Sie klettern auf Bäume und wippen auf einer Baumwippe. Sie beobachten Feuerkäfer, Regenwürmer, Ameisen und Frösche und sie lassen ihrer Fantasie freien Lauf, wenn der Stock in einem Moment zu einem Laubsauger wird und im nächsten Moment ein Feuerwehrschlauch ist.

Mit Infekten mussten wir uns in unserem ersten Waldkindergartenjahr kaum herumplagen. Die Zeit draußen in der Natur stärkt ganz offensichtlich das Immunsystem und Krankheiten können sich an der frischen Luft nicht so schnell verbreiten. Auch meine andere Sorge war unbegründet: Die Kinder wissen, wie weit sie gehen dürfen. Sie verlassen ihr „Rudel“ nicht und nicht nur die Erzieherinnen, sondern auch die Kinder achten gut aufeinander.

Warum der Waldkindergarten?

„Äste, die in alle Richtungen wachsen und Wurzeln, die einen festen Halt geben.“ Genau das ist es, was wir uns für unsere Kinder wünschen. Es ist uns besonders wichtig, dass unsere Kinder einen guten Zugang zur Natur bekommen und lernen, verantwortungsbewusst mit ihren Mitmenschen und mit unserer Umwelt umzugehen. Außerdem sind wir überzeugt, dass der Wald den Kindern guttut und Bewegung an der frischen Luft glücklich macht. Wir hoffen, dass der Wald sie ihr ganzes Leben als ein Ort begleiten wird, an dem sie Kraft, Freude und Zuversicht tanken können.

Wenn ich im Freundes- und Bekanntenkreis erzähle, dass unsere Kinder „echte“ Waldkinder sind, werde ich mitunter ungläubig gefragt, ob die Kinder denn wirklich bei jedem Wetter draußen sind. Heute antworte ich leicht: „Ja, sind sie! Es macht ihnen nichts aus. Im Gegenteil: mit passender, funktionaler Kleidung haben sie immer Spaß.“

Andere Eltern stellen sich oder mir auch die Frage, wie es mit der Vorbereitung auf die Schule ist: „Können Waldkinder überhaupt einen Stift richtig halten?“ „Sind sie nicht überfordert, wenn sie in der Schule stillsitzen sollen?“ Aus meiner Erfahrung als Lehrerin kann ich sagen, dass ich bei den Waldkindern in meinen Klassen keine Defizite im Vergleich mit Kindern aus anderen Einrichtungen feststellen konnte. Waldkinder bringen meist wichtige Basiskompetenzen mit in die Schule, wie z.B. eine hohe Lernbereitschaft, eine differenzierte Wahrnehmungsfähigkeit und eine gute Fähigkeit zur Kommunikation. Sie zeichnen sich häufig durch sehr gute soziale und praktische Fähigkeiten aus.

Liebevolle Menschen

Ganz besonders lebt unser Waldkindergarten von den Menschen, die dort arbeiten und unsere Kinder begleiten. Unsere Erzieherinnen gehen liebevoll auf die Kinder ein, bestärken sie in ihrer Selbstständigkeit und begegnen ihnen jeden Tag so voller Freude und Geduld, dass wir uns für unsere Kinder keinen besseren Ort vorstellen können als unseren Waldkindergarten.